Rechtsfragen rund um den Tierarztbesuch

Rechtsfragen rund um den Tierarztbesuch

Wenn Tiere krank oder verletzt sind, kann das auch für ihre Besitzer eine grosse Belastung bedeuten. Das Verhältnis zwischen Tierhalter und Tierarzt ist daher oftmals von einer besonderen Emotionalität geprägt und birgt stets ein gewisses Konfliktpotenzial. Auch aus rechtlicher Sicht stellen sich in diesem Zusammenhang einige Fragen.

Text: Dr. iur. Gieri Bolliger / lic. iur. Andreas Rüttimann   Titelbild:  vectorfusionart/stock.adobe.com

Im Hinblick auf eine intakte Mensch-Tier-Beziehung kommt Tierärzten eine gesellschaftliche Schlüsselrolle zu. Ihre Aufgaben gehen dabei weit über die Behandlung kranker oder verletzter Tiere hinaus. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben sie mit Fachwissen und Engagement für den bestmöglichen Schutz der Tiere zu sorgen. Vor allem sind Tierärzte aber auch wichtige Berater in Tierschutzfragen, indem sie Tierhaltende kompetent über die Haltung, Pflege und Ernährung von Tieren aufklären. Als Tierärztin oder Tierarzt darf sich nur bezeichnen, wer über ein eidgenössisches oder ein anerkanntes ausländisches Diplom verfügt. Das Führen einer privaten Tierarztpraxis bedarf zudem einer kantonalen Bewilligung.

Behandlung nach bestem Wissen und Gewissen

Meist wird zwischen Klient und Tierarzt die Behandlung eines kranken oder verletzten Tieres oder eine präventive Massnahme, wie etwa ein periodischer Gesundheitscheck, vereinbart. Aus juristischer Sicht stellt dies ein Auftragsverhältnis dar, für das die Regeln des Obligationenrechts (OR) gelten. Es handelt sich um einen Vertrag, bei dem sich der Tierarzt zur sorgfältigen Behandlung des Tieres verpflichtet, um es nach bestem Wissen und Gewissen zu pflegen und zu heilen.

Der Auftrag umfasst in der Regel eine generelle Überprüfung des Gesundheitszustands des Tieres, das Stellen einer Diagnose sowie die ausführliche und sachliche Beratung über eine allenfalls notwendige Therapie oder Operation und die damit verbundenen Risiken. Der Tierarzt hat dabei immer im Interesse des Tierhalters – und natürlich des Tieres selbst – und nach dem aktuellen veterinärmedizinischen Erkenntnisstand vorzugehen. Befolgt er all diese Punkte, erfüllt er seine vertragliche Pflicht und muss ihm der Klient im Gegenzug eine Entschädigung für die erbrachte Leistung bezahlen.

Keine Heilungsgarantie

Der Tierarzt schuldet dem Tierhalter zwar ein bestimmtes Tätigwerden, nicht aber das Gelingen der Behandlung. Eine Genesung eines Tieres kann er genauso wenig versprechen, wie es einem Humanmediziner möglich ist zu garantieren, dass eine Chemotherapie bei einem Menschen zur Heilung von Krebs führt. Seinen Honoraranspruch verliert der Tierarzt nur dann, wenn er nachweislich unsorgfältig oder nicht nach den Regeln seiner Berufskunst vorgegangen ist. Ein Verstoss gegen die Sorgfaltspflicht liegt etwa vor, wenn dem Tierarzt für die vorgenommene Behandlung die entsprechenden Kenntnisse, Erfahrungen oder Aus- und Weiterbildungen fehlen, wenn er den Tierhalter mangelhaft aufklärt oder dessen Einwilligung für einen Eingriff nicht einholt, wenn er nicht die ungefährlichste Methode wählt oder wenn er Befunde mangelhaft dokumentiert. Als Massstab gilt jeweils jene Sorgfalt, die von einem pflichtbewussten Durchschnittstierarzt erwartet werden kann.
 
Lässt sich ein solches Fehlverhalten nachweisen, was für tiermedizinische Laien jedoch nicht einfach ist und – wenn überhaupt – meist nur mittels eines Expertengutachtens gelingt, muss das Tierarzthonorar nicht bezahlt werden. Unter Umständen  besteht zudem ein Anspruch auf Schadenersatz einschliesslich des sogenannten Affektions­werts (emotionaler Wert) des Tieres. Bei Kunstfehlern macht sich der Tierarzt überdies allenfalls sogar wegen fahrlässiger Tierquälerei oder anderer Tierschutzdelikte strafbar.

Anders ist die Sachlage hingegen, wenn mit dem Tierarzt nicht ein Auftrag, sondern ein sogenannter Werkvertrag über eine ganz bestimmte Tätigkeit abgeschlossen wird. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die vertragliche Pflicht des Tierarztes nicht in einer umfassenden Behandlung, sondern lediglich in der Vornahme einer bestimmten Tätigkeit, etwa im Anfertigen von Röntgenbildern oder im Durchführen einer Sterilisation, Kastration oder Impfung liegt. Der Vertrag ist hier erst erfüllt, wenn die vereinbarte Leistung tatsächlich erfolgreich erbracht wurde. Im Unterschied zur Rechtslage bei einem Auftrag kann der Tierarzt bei Vorliegen eines Werkvertrags zur unentgeltlichen Verbesserung seiner Arbeit oder zur Honorarkürzung verpflichtet werden, wenn der geschuldete Erfolg ausbleibt. Die Abgrenzung zwischen Auftrag und Werkvertrag ist nicht immer einfach und muss stets im konkreten Einzelfall vorgenommen werden.

Die Arbeit von Tierärzten geht oft weit über die Behandlung kranker oder verletzter Tiere hinaus. So sind sie für viele Tierhalter auch wichtige Berater, wenn es um Haltung, Pflege und Ernährung ihrer Schützlinge geht.
Foto: Robert Daly/KOTO/stock.adobe.com

Rechnung für ein fremdes Tier

Meist ist der Klient des Tierarztes der Eigentümer des Tieres oder ein von diesem bestimmter Stellvertreter. Es kann aber auch vorkommen, dass der Tierarzt von einer Drittperson beauftragt wird, sich um ein verletztes oder krankes Tier zu kümmern. Zu denken ist dabei insbesondere an den Finder eines Tieres, das dringend tierärztliche Hilfe benötigt. Hier stellt sich die Frage, wer nun für die Behandlungskosten aufzukommen hat.

Wer ein verletztes Tier zum Tierarzt bringt, gilt als Auftraggeber. Zwischen dem Tierarzt und dem Eigentümer des betroffenen Tieres besteht hingegen keine vertragliche Verbindung. Streng rechtlich betrachtet kann der Tierarzt somit nur vom Finder die Zahlung der Rechnung fordern – einen entsprechenden Anspruch gegenüber dem Tier­eigentümer hat er nicht. Dies führt mitunter zu unbefriedigenden Ergebnissen. Gemildert werden diese allerdings dadurch, dass der Finder berechtigt ist, den bezahlten Betrag anschliessend vom Eigentümer des Tieres zurückzufordern, sofern er ihn ausfindig machen kann. Weil er im Interesse des Eigentümers gehandelt hat, kann sich der Finder dabei auf eine sogenannte Geschäftsführung ohne Auftrag berufen. Normalerweise wird der Tierhalter aber ohnehin dankbar sein, dass sich jemand um sein Tier gekümmert hat, und die Rechnung diskussionslos übernehmen.

Muss der Tierarzt ein Tier behandeln?

Der Vertrag zwischen Klient und Tierarzt ist für beide Parteien erst bindend, wenn sie sich tatsächlich über die Behandlung geeinigt haben. Ist ein Auftrag zustande gekommen, steht es den Parteien allerdings jederzeit frei, von diesem wieder zurückzutreten. Erfolgt der Rücktritt jedoch zur Unzeit, beispielsweise unmittelbar vor einer lebensrettenden Operation, ist dem Vertragspartner ein allfälliger daraus resultierender Schaden zu ersetzen. Der Tierarzt kann eine Behandlung auch von Anfang an ablehnen. Grundsätzlich gilt also sowohl freie Tierarztwahl für den Kunden als auch freie Kundenwahl für den Tierarzt.

Für den Tierarzt gibt es somit selbst in Notfällen keine gesetzliche Verpflichtung, einem verletzten oder kranken Tier zu helfen. Aus ethischer Sicht ist die Ablehnung der Behandlung von Tieren, die dringend auf medizinische Hilfe angewiesen sind, aber natürlich kaum zu rechtfertigen. Die Standesordnung der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST), der rund 90 Prozent der Privatpraktiker angehören, sieht daher auch vor, dass in Notfällen immer Erste Hilfe zu leisten ist – auch ohne Auftrag. Missachtet ein Mitglied diese berufsethische Pflicht, kann dies in einem GST-internen Verfahren gerügt und mit einer Busse bestraft werden.

Verschiedene Möglichkeiten bei Streitigkeiten

Ist ein Tierhalter mit dem Tierarzt nicht zufrieden, etwa weil dieser ihn nicht genügend über mögliche Behandlungsrisiken aufgeklärt hat oder weil die Rechnung unerwartet hoch ausfällt, sollte er zunächst einmal das persönliche Gespräch suchen. Bringt ein solches keine Lösung, kann er sich an die jeweilige GST-Regionalsektion beziehungsweise an die Ombudsstelle der GST wenden. Diese prüfen dann die Kundenbeschwerden und versuchen, zwischen den Parteien zu vermitteln. Lässt sich auch dort keine Einigung erzielen, bleibt dem Tierhalter immer noch die Möglichkeit, die Herabsetzung einer seiner Meinung nach zu hohen Rechnung auf dem ordentlichen Zivilprozessweg einzufordern. Hierfür muss er sein Begehren bei der örtlich zuständigen Schlichtungsstelle (in den meisten Kantonen ist dies der Friedensrichter) anhängig machen.

Stiftung für das Tier im Recht (TIR)

Spendenkonto PC 87-700700-7
IBAN CH17 0900 0000 8770 0700 7
www.tierimrecht.org