Hunde sind Gewohnheitstiere und können auch Stress empfinden

Wenn der Hund Stress hat

Auch Hunde können Stress empfinden, sie sind Gewohnheitstiere. Veränderungen jeglicher Art, laute Geräusche, ein Umzug, die Anschaffung eines Zweithundes oder auch menschlicher Nachwuchs verändern die normale Routine und können zu Stress führen.

Text: Dr. med. vet. FVH Luzia Klauser   Titelbild: Ryan/stock.adobe.com

Stressfaktoren bei Hunden

Häufige Stressfaktoren für Hunde sind laute Geräusche wie Gewitter mit Blitz und Donner, laute Musik, Feuerwerk oder Verkehrs- und Baulärm. Aber auch die Unterkunft in einem Tierheim, bei einem Hundesitter oder während der Ferien mit dem Besitzer sind mögliche Auslöser für Stress. Manche Veränderungen sorgen nur kurzfristig für Stress und der Körper findet schnell wieder in den normalen Status zurück. Ist der Hund jedoch über längere Zeit gestresst, kann man Veränderungen des Gesundheitszustands oder im Verhalten sehen. Diese Veränderungen können sich auch bald zu ernsthaften Problemen entwickeln, wenn man sie nicht früh genug adressiert.

Was passiert bei Stress im Körper eines Hundes?

Stress an sich ist nicht unbedingt etwas Schlechtes. Es versetzt den Körper in Ausnahmesituationen in Alarmbereitschaft, um in Notsituationen so schnell wie möglich reagieren zu können. Vielfach wird hier das Prinzip «Fight or Flight» genannt (Flüchten oder Kämpfen), das die körperliche Reaktion auf Stress bezeichnet. Hierbei werden wichtige Körperfunktionen durch die Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol in Bereitschaft versetzt. Kortisol aktiviert katabole (abbauende) Stoffwechselvorgänge und sorgt somit dafür, dass der Organismus über genügend Energie verfügt, Adrenalin und Noradrenalin verbessern die körperliche Leistung und die Aufmerksamkeit. Die Pupillen weiten sich, die Ohren sind fokussiert und gestellt, die Muskulatur wird stärker durchblutet und angespannt, die Atmung und der Herzschlag erhöhen sich. Der Körper stellt also jene Funktionen in den Vordergrund, die in Gefahrensituationen wichtig sind, um das Überleben zu sichern. Andere Funktionen wie die Verdauung oder die Blasenentleerung treten in diesem Moment in den Hintergrund.

Welche Krankheiten können durch Stress bei Hunden ausgelöst werden?

Magen-Darm-Probleme

Während Stressepisoden wird die Verdauungstätigkeit verlangsamt. Der Magen-Darm-Trakt wird schlechter durchblutet, weil das Blut in der Muskulatur gebraucht wird. Anhaltender Stress führt auch zu einer erhöhten Sekretion von Magensäure und einer verminderten Schleimproduktion, was zu einer Übersäuerung, Magenentzündungen und auch zu Magengeschwüren führen kann.

Betroffene Hunde erbrechen vermehrt und/oder haben einen verminderten Appetit. Oftmals versuchen Hunde mittels einer übermässigen Aufnahme von Gras die Verdauungstätigkeit anzuregen. Gras enthält wichtige Ballaststoffe, welche die Verdauung fördern und die Magensäure etwas ausgleicht. Viele Hunde reagieren mit Durchfall auf Stress. Die schlechtere Durchblutung des Darms führt zu einer verminderten Verdauung und Absorption von Nährstoffen. Der Darm versucht die Nahrung so schnell wie möglich loszuwerden, was in Durchfall resultiert.

Geschwächtes Immunsystem

Die übermässige und langanhaltende Ausschüttung von Kortisol schwächt das Immunsystem und kann sogar zur Unterdrückung des Immunsystems führen. Der Körper ist nicht mehr in der Lage, adäquat auf Infektionen und andere Krankheiten zu reagieren. So können selbst harmlose Keime eine problematische Entzündung verursachen. Es kann dadurch auch zur Verschlimmerung von chronischen Krankheiten kommen.

Verhaltensprobleme

Nicht nur körperliche Krankheiten können sich entwickeln. Stress kann auch zu Verhaltensproblemen führen. Gewisse Hunde entwickeln obsessiv-kompulsives Verhalten, fangen an Sachen zu zerstören, kauen Möbel an oder fressen offensichtlich unverdauliche Sachen wie Socken, Steine etc. Auch übermässiges Kratzen oder Belecken von Körperstellen sind möglich. Dies kann zu kahlen Stellen, Entzündungen und Infektionen führen.

Dauerhafter Stress kann nicht nur zu körperlichen Krankheiten, sondern auch zu Verhaltensstörungen bei Hunden führen.

Foto: Photoboyko/stock.adobe.com

Welche Möglichkeiten gibt es zur Behandlung?

Ursache finden

Zuerst ist es wichtig, die Ursachen des Stresses herauszufinden. Kann man die Ursache beheben und somit den Stress vermeiden? Gibt es Trainingsmethoden, welche angewendet werden können? Kann man den Hunden mit gezieltem Training und positiver Verstärkung helfen? Je nach Ursache kommen verschiedene Behandlungsmethoden in Frage.

Körperliche Ursachen

Oftmals haben Probleme eine körperliche Ursache. Hier hilft zuerst ein gründlicher Gesundheitscheck durch den Tierarzt. Liegen keine organischen Probleme oder Schmerzen zu Grunde, können mit einer Verhaltenstierärztin oder Hundetrainerin gute Resultate erzielt werden. Je länger sich ein Problem bereits manifestiert hat, desto länger dauert es auch, dieses wieder zu lösen.

Es existieren auch vielerlei pflanzliche oder homöopathische Medikamente, die dem Hund helfen, sich an eine Situation zu adaptieren. Ist der Stressfaktor allerdings sehr hoch, können auch stärkere Medikamente zum Einsatz kommen. Hier steht uns eine grosse Auswahl an Beruhigungsmitteln und auch Antidepressiva zur Entspannung zur Verfügung, die allerdings nur von einer Fachperson verschrieben werden dürfen. Eine Liste von diplomierten Verhaltensmedizinern finden Sie auf www.stvv.ch.

Stressfaktor Tierarztbesuch

Nicht immer ist ein Tierarztbesuch etwas Schönes, oftmals hat es auch einen ernsten Grund. Ist bereits der Besitzer gestresst überträgt sich dies auf den Hund, er merkt, wenn wir uns Sorgen machen! Am besten also, man übt den Besuch beim Tierarzt schon von klein auf.

Im Idealfall dürfen Sie mit Ihrem Hund auch für sogenannte «Happy Visits» zum Tierarzt gehen. Dies sind kurze Besuche zu Trainingszwecken, bei denen Ihr Hund die Praxis kennenlernt: Im Wartezimmer warten, auf dem Behandlungstisch stehen, auf die Hundewaage gehen, das Behandlungszimmer auskundschaften und alles mit feinen Leckerli oder mit seinem Lieblingsspielzeug positiv verknüpfen. Wichtig ist, dass Ihr Hund viele positive Eindrücke gewinnt. Sprechen Sie Ihren Tierarzt darauf an! Viele Praxen sind bereit, solche «Happy Visits» zu unterstützen, denn dadurch wird der Tierarztbesuch für alle Beteiligten angenehmer.

Üben Sie auch zuhause, Ihren Hund überall anzufassen und abzutasten, Zähne und Zahnfleisch anzuschauen, den Hund hochzuheben und auf einen Tisch zu stellen. Wichtig hierbei ist: kleine Schritte führen zum Erfolg. Starten Sie mit einfachen Situationen und kurzen Sequenzen, und belohnen Sie Ihren Hund fürs brave Mitmachen. So vermeiden Sie stressvolle Situationen für alle Zwei- und Vierbeiner beim Besuch (inklusive Tierarzt!).

Um stressvolle Situationen beim Tierarztbesuch zu vermeiden, können Sie auch zuhause üben, Ihren Hund überall anzufassen und abzutasten.

Foto: nadisja/stock.adobe.com

Hundemagazin abonnieren

Entdecken Sie das Schweizer Hunde Magazin

Der unentbehrliche Begleiter für alle Hundebesitzer!

Ihre Vorteile auf einen Blick

9 Ausgaben pro Jahr: Mehr als 60 Seiten pro Ausgabe mit wertvollen Informationen und praktischen Tipps rund um die Haltung von Hunden.

Fachwissen für Hundehalter: Profitieren Sie vom Wissen von führenden Hundeexperten und Tierärzten.

Vielfältige Themen: Von Gesundheit und Pflege über Erziehung bis hin zu Ernährung.

Sichern Sie sich Ihr Abo für nur CHF 69.– und werden Sie Teil einer engagierten Hundehalter-Community.

Jetzt abonnieren