Der Stressmagen des Hundes
Stress kann auf den Magen schlagen – ganz wie bei uns ist das auch bei Hunden so. Die Stresshormone haben einen direkten Einfluss auf den Magen-Darm-Trakt und vor allem bei langanhaltendem Stress kann das zu Beschwerden führen: Verdauungsprobleme wie Erbrechen, Durchfall oder Blähungen können mögliche Anzeichen dafür sein, dass «Stress auf den Magen schlägt».
Text: med. vet. Gabrielle Brunner / www.vettrust.ch Titelbild: bluraz/stock.adobe.com
Nervöse Hunde und Resilienz
Viele Hunde führen heutzutage kein Leben mehr, für das sie, biologisch gesehen, als Hund geboren wurden. Unsere Hundehaltung verlangt unseren Begleitern viel ab. Die natürliche «stabile» Revierordnung besteht kaum mehr.
Es sind keine stabilen, gleichbleibenden Rudel, welche miteinander leben, sondern meist Einzelhunde, die auf jedem Spaziergang feststellen müssen, dass Nachbarskollegen in ihr Revier eingedrungen sind. So entsteht auch das dauerhafte Markieren, was in abgelegenen Gebieten kaum beobachtbar ist. Hier markiert der Rüde (oder auch die Hündin) das Revier nur alle zwei bis drei Tage neu. Sobald ein Eindringling durch ihr Gebiet spaziert ist, wird wieder neu markiert. Aber nicht nur diese instabile Revierlage, sondern auch viele andere zusätzliche Reize dringen auf unsere Hunde ein. Der Strassenverkehr, generell Lärm, andauerndes Unterwegssein als Begleithund, die ganzen Hundesportaktivitäten – all diese Einflüsse fordern die Psyche unserer Hunde und können sie unter Stress setzen.
Auch wenn viele Hunde ein aktives und bewegtes Leben gut vertragen und zum Teil sogar geniessen, gibt es doch auch einige, die Schwierigkeiten mit der Anpassung haben, generell nervöse Typen sind oder Probleme beim Kontakt mit Artgenossen oder in bestimmten Situationen haben.
Durch die Zucht von immer reagibleren Hunden, was insbesondere bei den Arbeitshunden zu beobachten ist, wie zum Beispiel dem Malinois und Border Collie, wird deren Nervenkostüm nicht wirklich stabiler. Sie werden dazu gezüchtet, rasch und unmittelbar zu reagieren – so nimmt deren Stresstoleranz genau so rasch ab und stellt den Hund und seinen Besitzer vor grosse Herausforderungen im Alltag.
Dass sich die innere Anspannung nicht bei jedem Hund gleich zeigt, es sogar «Spezialisten» gibt, denen man von aussen kaum etwas anmerkt, macht es nicht einfacher. Mir persönlich begegnen in meinem Berufsalltag viele übermässig gestresste Hunde. Oft wird Hundebesitzern geraten, ihre Hunde mehr auszulasten, sobald diese Stresssymptome zeigen – genau hier liegt aber oft das Problem. Die Hunde sind häufig schon überreizt und brauchen eher ein Entstressungsprogramm als eine zusätzliche Reizüberflutung. Hierzu verweise ich auf den Ratgeber-Beitrag auf Seite 19 in diesem Heft.
Ist Stress generell etwas Schlechtes?
Nun ist Stress an sich nicht unbedingt etwas Schlechtes. Stress versetzt den Körper in Alarmbereitschaft, um sicherzustellen, dass dieser in einer Notsituation schnellstmöglich reagieren kann. Das Prinzip nennt sich «Fight or Flight» und bezeichnet die körperliche Reaktion auf eine potenzielle Gefahr. Impulse des Sympathikus veranlassen eine Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin, welche wiederum körperliche Reaktionen auslösen: Atemfrequenz und Herzschlag erhöhen sich, während sich die Verdauung verlangsamt, Augen und Ohren fokussieren sich genau (Tunnelblick), die Muskulatur wird stärker durchblutet und angespannt. Der Körper stellt all jene Funktionen in den Vordergrund, die in Gefahrensituationen wichtig sind. Kurzfristig gesehen stellen diese Reaktionen kein Problem dar. Ungesund wird Stress dann aber, wenn er übermässig lange anhält oder gar dauerhaft auftritt.
Wodurch hat der Hund Stress?
Die meisten Stressoren sind menschengemacht. Diese Stress-Faktoren basieren meist darauf, dass der Hund für die entsprechenden Situationen einfach nicht programmiert ist oder ihm die entsprechende Resilienz (Stressresistenz) oder Strategie dazu fehlt (Städte und Menschenmassen inklusive entsprechender Duftüberreizung, Trubel, enge Räume mit unbekannten Artgenossen teilen, die Anschaffung eines Zweithundes in den vormals eigenen Haushalt, Silvester und so weiter).
Viele Hunde in einem engen Radius führen zu erhöhtem Markierverhalten – was Stress verursachen kann.
Foto: atiger/stock.adobe.com
Was passiert im Körper bei dauerhaftem Stress?
Der Spiegel des Stresshormons Cortisol steigt dauerhaft an. Die Nebenniere produziert ausserdem ununterbrochen Adrenalin und Noradrenalin, was auf Dauer zahlreiche negative Auswirkungen auf den Organismus haben kann.
Der Magen unter Stress beim Hund
Durch die Freisetzung von Adrenalin und Cortisol wird die Verdauungstätigkeit, wie bereits unter dem Fight-or-Flight-Prinzip erwähnt, verlangsamt. Das kommt dadurch zustande, dass der Magen schlechter durchblutet wird, denn das Blut wird in der Muskulatur gebraucht. Oft reagieren Hunde mit Durchfall, weil der Körper aufgrund der schlechteren Durchblutung, welche wiederum eine schlechtere Verdauung verursacht, die Nahrung so schnell wie möglich loswerden möchte (sogenannter «Stressdurchfall»).
Anhaltender Stress führt ausserdem zu einer erhöhten Magensekretion und gleichzeitig zu einer Herabsetzung der Schleimproduktion, was – vor allem in Kombination – verheerende Folgen haben kann, da die Magenschleimhaut die Magenwand nur mehr unzureichend vor der aggressiven Säure schützt.
Wir alle kennen selbst das Gefühl, einen «Knoten im Magen» zu haben, wenn wir nervös werden. Der Magenausgang (der Pylorus) besteht aus einem Ringmuskel, der sich unter Stress zusammenzieht. Dieser verhält sich wie jeder andere Muskel auch: Wenn er viel benutzt, also trainiert wird, dann baut er sich auf und wird stärker. Dies führt oft dazu, dass gestresste Hunde einen verengten Magenausgang haben. Die Magensäure und der saure Futterbrei bleiben länger liegen, was zusammen mit der verminderten Magenschleimproduktion eine starke Belastung für die Schleimhaut darstellt.
Gastritis beim Hund
Obwohl eine eindeutige Diagnose nur anhand einer Gastroskopie (Magenspiegelung) möglich ist und die Symptome je nach Ursache und Grad der Schleimhautschädigung variieren, ist es möglich, eine Gastritis an verschiedenen Symptomen zu erkennen. Oft verläuft eine leichte Gastritis nach aussen hin symptomlos oder es liegt nur eine unspezifische Symptomatik vor (Anorexie, Apathie).
In der Regel beginnen die ersten Symptome dezent und am frühen Morgen: Frisst Ihr Hund viel Gras, mag er sein Frühstück nicht wirklich lustvoll fressen oder braucht er dazu eine längere Anlaufzeit, sind das oft erste Symptome eines Magenproblems. Zu diesem Zeitpunkt kann das noch recht gut mit einer Ernährungsumstellung und einer kurzfristig eingeführten Entstressung aufgefangen werden. Schreitet die Gastritis aber fort, kommen meist folgende Anzeichen hinzu:
- Erbrechen
- Vermehrtes Speicheln
- Stark wechselnder Appetit
- Schmerzreaktion im vorderen Bauchraum
- Aufstossen
Tipps aus dem Alltag
Lassen Sie einen versierten Osteopathen ausschliessen, dass Ihr Hund unter Schmerzen leidet, und lassen Sie ihn Ihr Tier durch das Entstressungsprogramm hindurch begleiten, er kann mittels viszeraler Methoden viel bewirken. Füttern Sie Ihren Hund mehrmals täglich, sodass der Magen mehr Schleim produzieren kann. Halten Sie die Fresspausen kurz – dies betrifft vor allem die Nachtpause. Geben Sie ihm noch kurz vor dem Zubettgehen ein kleine Portion Futter.
Magengeschwüre beim Hund
Magengeschwüre kommen durch eine längerfristige Schädigung der Magenschleimhaut zustande und treten häufig als Folge einer chronischen Gastritis auf. Durch die permanente Reizung der Magenschleimhaut kommt es zu einem Geschwür, das Schmerzen verursacht und bluten kann. Die Symptome eines Magengeschwürs sind derer der Gastritis sehr ähnlich, wobei es oft zu einer farblichen Veränderung (Verdunkelung) des Kots kommen kann, die durch Einblutung des Geschwürs in den Magen verursacht ist. Ausserdem kann der Hund blutig erbrechen.
Entstressung – den Magen schützen
Um den empfindlichen Magen vor den Folgen von Stress zu schützen, ist es in erster Linie wichtig, die Stressoren so gut als möglich einzudämmen. Dies ist eine grosse Herausforderung und erfordert ein konsequentes Vorgehen. Reizreduktion, striktes Einhalten von Ritualen und fixen Abläufen, meist unterstützt durch einen erfahrenen Dog Coach, sind wichtige Eckpfeiler. Nur schon das Eruieren der entsprechenden Stressoren ist nicht ganz so einfach, wie sich das viele Hundebesitzer vorstellen. Ein Blick von aussen kann hier sehr förderlich sein.
Eine Unterstützung durch Komplementärmedizin kann hilfreich sein und zeigt gute Erfolge. Natürlich muss die Gastritis auch medikamentös angegangen werden, aber es ist essenziell, zu erkennen, dass es sich hierbei nur um eine Therapie einer Folgeerkrankung und nicht um das Angehen der zentralen Ursache handelt.
Entdecken Sie das Schweizer Hunde Magazin
Der unentbehrliche Begleiter für alle Hundebesitzer!
Ihre Vorteile auf einen Blick
9 Ausgaben pro Jahr: Mehr als 60 Seiten pro Ausgabe mit wertvollen Informationen und praktischen Tipps rund um die Haltung von Hunden.
Fachwissen für Hundehalter: Profitieren Sie vom Wissen von führenden Hundeexperten und Tierärzten.
Vielfältige Themen: Von Gesundheit und Pflege über Erziehung bis hin zu Ernährung.
Sichern Sie sich Ihr Abo für nur CHF 69.– und werden Sie Teil einer engagierten Hundehalter-Community.