das sind die einzelnen entwicklungsphasen eines hunde

Die Entwicklungs­phasen des Hundes

Die Lebenserwartung eines Hundes liegt ungefähr zwischen zwölf und 18 Jahren. Kleinere Hunde geniessen die Vorteile irdischen Daseins etwas ­länger, während grössere Vierbeiner früher ins Regenbogenland ­gerufen werden. Doch wie sieht so ein Hundeleben genau ­genommen aus biologischer Sicht aus?

Text: Daniela Rettich  Titelbild: vladimirfloyd/stock.adobe.com

Die Tragzeit einer Hündin beträgt zwischen 58 und 62 Tagen. In dieser Zeit wird die Nachzucht allerdings bereits durch epigenetische Faktoren geprägt. Das bedeutet, Informationen über Umweltveränderungen werden als «Randnotizen», die wie ein Zettel an das Gen geheftet werden, mitgegeben. Dies kann ein Vermerk über stark veränderte Temperaturen sein oder auch über hormonelle Zustände des Vaters oder der Mutter. Ist eines der Elterntiere vor und während dem Deckakt extrem gestresst, so wird dieser Umstand epigenetisch mit den anderen Erbinformationen mitgeliefert. Daraus entwickeln sich nicht selten stressanfälligere Welpen

Die pränatale Phase

Die Zeit von der Eizellenbefruchtung bis zur Geburt wird als pränatale Phase bezeichnet. Eine verantwortungsvolle Haltung der werdenden Mama ist von grosser Bedeutung, denn auch sie hat einen prägenden Einfluss. Je mehr Stress die Mutterhündin hat, desto ängstlicher und nervöser werden die Welpen zur Welt kommen. Vor allem Hormone und Medikamente beeinträchtigen die Entwicklung der Föten stark. Wird der Blutkreislauf der Ungeborenen zum Beispiel vom Stresshormon Kortisol oft und dauerhaft überflutet, kommt es zu Veränderungen in den Stresszentren des Gehirns der Kleinen.

Die Auswirkungen eines hohen Kortisolspiegels betreffen die Föten genauso wie die Mama. Der Energieverbrauch der Ungeborenen steigt im Mutterleib an, als Folge davon können das Geburtsgewicht und die tägliche Gewichtszunahme der Welpen geringer sein. Zusätzlich besteht ein Risiko für körperliche und geistige Entwicklungsstörungen. Durch die erhöhte Kortisolkonzentration ist bei den Welpen die Gefahr gross, dass sie lebenslang viel schneller gestresst reagieren und anfälliger für Infektionskrank­heiten sind. Erwähnenswert ist auch, dass bei pränatalem Stress die Ungeborenen weniger Rezeptoren für das Hormon Oxytocin bilden. Dieser Neurotransmitter fördert die Bindung und Emotionen wie Vertrauen, Geborgenheit und Zuneigung. Je weniger Rezeptoren für das Oxytocin vorhanden sind, desto geringer ist die Wirkung des Hormons. Auch wenn die Hündin trotz der Trächtigkeit körperlich fit ist, gebührt ihr deshalb unbedingt eine aufmerksame und führsorgliche Betreuung.

Die vegetative Phase

Von der Geburt bis ungefähr zu ihrem 14. Lebenstag, auch vegetative Phase genannt, sind die Welpen auf eine intensive Pflege durch ihre Mama angewiesen. In dieser Zeit der «inneren Zuwendung» (nach Dr. ­Feddersen-Petersen) saugen und schlafen die kleinen Welpen hauptsächlich neben Geschwisterchen und Mama, daher nennt man es auch Kontaktliegen. Wärmeempfindung, Pendelbewegungen und unterschiedliche Lautäusserungen sind biologisch verankerte Verhaltensmuster. Der Tast-, Geruchs- und der Gleichgewichtssinn entwickeln sich allmählich. Bei der Kot- und Urinabgabe werden die Hundebabys noch von ihrer Mutter unterstützt. Doch bereits in dieser Phase wird der Grundstein dafür gelegt, wie die Kleinen später mit Stress und Belastung umgehen können.

Bis ungefähr zum 21. Lebenstag erleben die Welpen eine Übergangsphase. Die Kleinen «erwachen» langsam und zeigen erste Reaktionen auf das, was um sie herum geschieht. Sie öffnen Ohren und Augen, die übrigens anfangs immer blau sind. Das Erkennen von Objekten ist allerdings in dieser Zeit noch nicht möglich. Der Ausscheidungsapparat funktioniert nach und nach ohne die Hilfe der Mama. Erste Beisshemmungen werden durch Spielen gelernt und die kleinen Milchzähnchen stossen hervor.

Die Sozialisierungsphase

Der nächste Abschnitt von der vierten bis zur zwölften Lebenswoche ist enorm wichtig, wenn nicht sogar der wichtigste für die Entwicklung der Welpen. Man spricht bei dieser Zeit von der Sozialisierungsphase. Da passiert ganz viel mit den kleinen Hunden. Der Fokus der Welpen liegt dabei immer noch auf dem Wurf und nicht auf der Aussenwelt. Sie beschäftigen sich sehr mit sich selbst, werden immer aktiver und schlafen weniger. Bereits ab der vierten, fünften Lebenswoche sind sie in der Lage, Emotionen wie Aggression und Frustration zu zeigen, ab der sechsten Woche kommt Angst dazu. In dieser Phase entwickeln die Welpen viele ihrer späteren Verhaltensweisen und «speichern» Bekanntes und Gewohntes wie ein Nachschlagewerk ab. Mit acht Wochen sind die Welpen biologisch gesehen überlebensfähig, auch wenn Koordination und Verhalten noch nicht ausgereift sind. In den folgenden vier Wochen fangen sie allmählich an, sich für die Aussenwelt zu interessieren, sind allerdings immer noch im geschützten «Kindergarten» mit Blick nach aussen. Die Anzahl und die Qualität der Erfahrungen aus dieser Zeit werden ebenfalls für später abgespeichert.

Es ist enorm wichtig, dass die Kleinen in dieser Zeit nicht überfordert werden. Ungewohnte Aussenreize können von den Welpen auch ohne Lernerfahrung bereits als bedrohlich empfunden werden. Sie erleben Angst, Enttäuschungen und Unsicherheiten, mit denen sie zurechtkommen müssen. Der Lebensbereich wird nun mit dem Geruchssinn erkundigt, sie reagieren vermehrt auf akustische und optische Reize. Das soziale Spielen dient dem Erlernen von neuen Verhaltensweisen und Umgangsformen und sie setzen sich intensiv mit der belebten und unbelebten Umwelt auseinander. Ungefähr ab der zwölften Lebenswoche sind die Welpen bereit und biologisch in der Lage, andere Individuen kennenzulernen.

Auszug mit acht Wochen?

Viele Züchter übergeben ihre Welpen den neuen Besitzern mit acht Wochen. Wenn wir einen Blick auf die Sozialisierungsphase werfen, erkennen wir, dass Hunde­babys in diesem Alter biologisch gesehen noch nicht für einen Umzug bereit sind. Sie sind nach wie vor innenfokussiert, auf die Mama und die Geschwister angewiesen. Die Kleinen hatten noch keine Gelegenheit, sich mit der Aussenwelt auseinanderzusetzen – es ist biologisch nicht vorgesehen. Denn genau diese Zeit, die sie zwischen der achten und der zwölften Woche mit ihrer Familie verbringen, ist enorm wichtig für ihr späteres Leben. Da findet Unzähliges an Erziehung und Sozialisierung statt: an Lernen, an Nachahmen, an Erfahrungen sammeln und an Verhalten austesten.

Betrachten wir das Szenario von einem Welpen, der mit acht Wochen abgeholt wird:
Das Hundebaby wird von seiner Familie und seinem gewohnten Umfeld weggerissen und an einen völlig fremden Ort gebracht. Allein, ohne die immer noch notwendige Unterstützung seiner Mama und seiner Geschwister, wird der Welpe mit Individuen konfrontiert, die seine Sprache nicht sprechen. Gerüche und Eindrücke, die er noch gar nicht wahrnehmen und kennenlernen konnte, müssen verarbeitet werden. Der kleine Hund hat Angst, weil er biologisch gesehen noch gar nicht in der Lage dazu ist. Er wird in Situationen gebracht, denen er schlicht nicht gewachsen ist, von seiner Entwicklung her nicht gewachsen sein kann. Er hatte nicht die Gelegenheit, im geschützten Umfeld seiner Familie diese Erfahrungen zu machen. Er hat Heimweh, vermisst die Mama und seine Geschwister. Der Welpe ist überfordert und gestresst.

Auch geistert ein wenig hilfreicher Mythos durch die Hundeszene. Manche meinen, dass der Welpe in den «alles entscheidenden» ersten 16 Wochen, der «Prägungsphase», einmal um die ganze Welt reisen muss. Der Kleine wird an alle möglichen Orte mitgeschleppt, um ihn tunlichst vielen unbekannten Situationen auszusetzen. Als würde seine Fähigkeit zu lernen nach der 16. Lebenswoche abgestellt werden. Statt mit dem von Reizen überfluteten Welpen von Pontius zu Pilatus zu reisen, wäre es um einiges sinnvoller, den kleinen Hund lang genug bei seiner Familie zu lassen und dann in Ruhe an sein neues Zuhause zu gewöhnen. Alles andere hat Zeit.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Welpen, die mit acht Wochen ausziehen mussten, nach ein paar gestressten Tagen oder Wochen zurück zum Züchter gebracht werden, weil Mensch und Welpe völlig überfordert sind. Wie bei vielem anderen ist es auch bei diesem Thema so, dass der Welpenkäufer der Laie ist und der Züchter der Fachmann sein sollte. Und trotzdem: Nicht nur der Züchter hat eine Verpflichtung gegenüber den wundervollen Geschöpfen, sondern auch die Welpenkäufer tragen eine Verantwortung für deren Wohlbefinden. Es müsste auch im Interesse des neuen Besitzers sein, einen Welpen zu übernehmen, der biologisch und sozial artgerecht aufgezogen wurde und die wichtigsten Phasen seines Lebens geschützt in seiner Familie verbringen konnte. So gelingt auch der Start in den nächsten Lebensabschnitt.

Hunde sollten erst ab dem Alter von 12 Wochen abgegeben werden

Vieles spricht dafür, die Welpen bis zu ihrer 12. ­Lebenswoche bei der Mutter und ihren Geschwistern zu lassen.

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Die juvenile Phase

Nach der ersten Sozialisierung fängt für den Welpen die juvenile Phase an, in der geübt und gefestigt wird, was der Kleine bis dahin lernen konnte. Er wird selbstsicherer, erkundungsfreudiger und beginnt, seine Grenzen auszuloten. Aus dem Welpen wird ein Junghund. Mit ungefähr sechs Monaten beginnt die Pubertät. Diese sogenannte zweite Prägephase dauert je nach Grösse und Rasse bis zum 14. bis 18. ­Lebensmonat. Die Reifezeit wird durch ein Gen ausgelöst, das die Geschlechtshormone aktiviert.

Das bedeutet, dass bei frühkastrierten Vierbeinern keine Pubertät stattfinden kann. Doch diese Phase ist ein wesentlicher Lebensabschnitt für einen Hund, denn im Gehirn findet nun ein wichtiger Umbau statt. Vor der Pubertät handelt der Hund vorwiegend aus Emotionen heraus. Durch diese Neustrukturierung werden nun bestehende Nervenbahnen zum emotionalen Zentrum gekappt und neue, schnellere Verbindungen zum rationalen Bereich des Gehirns angelegt. Der Hund lernt, seine Fähigkeiten, Kraft und Aktivitäten besser einzusetzen. Konzentration und Bewegungsabläufe sind noch etwas unkontrolliert, die Lernfähigkeit jedoch ist nun vollständig entwickelt. Der Hund wird risikofreudiger und es kann zu heftigeren sozialen Auseinandersetzungen kommen.

Durch diesen Entwicklungsprozess im Gehirn kann es tatsächlich sein, dass der Hund bereits Gelerntes wieder vergisst. Was oftmals aussieht, als würde der Hund einfach nicht wollen, hat damit zu tun, dass die Verbindung zu diesem Wissen nicht mehr da ist und neu angelegt werden muss. Von daher ist die Pubertät eine gute Chance für eine Nacherziehung. Konsequenz und Beharrlichkeit gepaart mit Verständnis und etwas Nachsicht ist ein bewährtes Erfolgsrezept. Der Hormonhaushalt gerät durcheinander und der Hund erlebt eine zweite Angstphase, es gilt nun, die Selbstsicherheit des Vierbeiners zu fördern. In einem Alter von ungefähr sechs Monaten erwacht zusätzlich der Jagdtrieb, weshalb der Hund in dieser Zeit unbedingt an der Leine geführt werden sollte.

Auf der hormonellen Ebene beeinflusst vor allem das Dopamin, die sogenannte Selbstbelohnungsdroge, den Vierbeiner. Die Amygdala, auch Mandelkern genannt, steuert im Gehirn die Wahrnehmung auf Reize; sie ist jetzt grösser und das Dopamin führt unter anderem dazu, dass der Hund intensiver auf die Umwelt reagiert. Was in der Sozialisierungsphase geschehen ist, bestimmt zusätzlich massgeblich die Pubertät. Eine stabile Integration in einem sozialen Umfeld ist für den Junghund deshalb enorm wichtig.

Die Adoleszenzphase

Der nächste Abschnitt, die Adoleszenzphase, bringt noch einmal eine wichtige Entwicklung mit sich. Körperlich ist der Hund nun erwachsen, geistig jedoch noch nicht. Er fordert ein Mitspracherecht bei der «Rudelerziehung» ein. Auch das innerartliche Verhalten ändert sich. Aus früherem Spiel mit anderen Hunden wird nun Ernst. Bisher hatte unser Vierbeiner nur «geübt». Nun ist er reif genug für den Kampf. Es tauchen neue Herausforderungen wie das Territorial- und Sexualverhalten auf. Schwierig wird es mit Rüden, die zwischen dem neunten und 20. Monat sexuell Erfolg hatten.
 

Die adulte Phase

Wenn diese anspruchsvolle Zeit geschafft ist und sich Körper und Geist auf demselben Entwicklungsstand befinden, hat unser Hund die adulte Phase erreicht. Er ist erwachsen. Nun wird die Führungsposition getestet. Für den Hundehalter ist es jetzt besonders wichtig, den Hund sicher und vertrauenswürdig zu führen und durchs Leben zu begleiten.
 

Ist der Hund erst mal ­erwachsen, gilt es, ihn sicher und ­vertrauenswürdig zu führen und durchs Leben zu begleiten.

Foto: nenetus/stock.adobe.com

Seniorenalter

Das Altern ist eine degenerative biologische Veränderung von Körper und Geist, die auch vor Hunden nicht Halt macht. Mit rund sieben Jahren darf unser Vierbeiner liebevoll schon als Senior bezeichnet werden, auch wenn er noch viele Jahre leben kann. Physische Anzeichen, wie eine Verminderung der Sehkraft oder des Hörvermögens müssen mit entsprechenden Massnahmen im Alltag kompensiert werden. Eine Absicherung durch eine Schleppleine führt zu mehr Sicherheit für Mensch und Hund. Für die zunehmenden Bewegungseinschränkungen gibt es viele sinnvolle Hilfsmittel, die die Lebensqualität des Hundes aufrechterhalten.

Der Senior schläft mehr und vor allem tiefer. Im Innern unseres Vierbeiners kommt es ebenfalls zu Veränderungen. Der ganze Stoffwechsel wird träger, die Futtermenge muss angepasst werden. Auch im hormonellen Bereich kommt es zu Verschiebungen, die dem Hund zu schaffen machen. Wie beim Menschen können irreversible Alterserscheinungen im Kopf auftreten, beispielsweise Schlaganfälle oder das Vestibularsyndrom (Störungen des Gleichgewichtsorgans). Von Demenz kann der Hund ebenfalls betroffen sein; der Verlauf unterscheidet sich nicht von der Krankheit beim Menschen. Es kann zu kognitiven, emotionalen und sozialen Defiziten mit Symptomen wie Desorientierung, Aggressionsverhalten oder Erinnerungsschwierigkeiten kommen. Für Demenz bei Hunden gibt es leider keine Therapie, mit Medikamenten kann das Fortschreiten der Krankheit jedoch verzögert werden.

Irgendwann kommt der Tag, an dem wir Abschied ­nehmen müssen. Auch wenn es uns schwerfällt, uns ein Dasein ohne den geliebten Vierbeiner vorzustellen, so müssen wir ggf. unseren Egoismus zur Seite schieben. Unser vierbeiniger Freund war sein Leben lang treu an unserer Seite und hat es verdient, diese Welt in Würde und Ehren verlassen zu dürfen.
 
Wie heisst es in einem Cartoon mit Snoopy und Charlie Brown: «Eines Tages müssen wir alle sterben.» – «Ja, aber an allen anderen Tagen nicht.» ­Geniessen Sie die Zeit mit Ihrem vierbeinigen Liebling.