Gefährliche Trendfarben bei Hunden
Extravagante Farben wie «Silber» und «Blau» sind aufgrund ihres edlen Aussehens beliebt. Für die Hunde sind die möglichen Auswirkungen auf ihre Gesundheit allerdings dramatisch.
Text: Regina Röttgen Titelbild: Firn/stock.adobe.com
Französische Bulldoggen im Farbton «Blau»
Man kennt sie aus der Werbung: Französische Bulldoggen im Farbton «Blau». Aufgrund ihres eleganten Aussehens liegen sie im Trend, ebenso wie die Farben «Silber», «Charcoal» und «Champagner» bei Labrador Retrievern. Oft haben die Tiere in solchen Sonderfarben einen besonders hohen Preis, der den Hunden eine weitere Extravaganz verleiht. Eine Exklusivität mit Folgen.
Das Dilute-Gen
Die Ursache der exotischen Fellfärbung liegt im sogenannten Dilute-Gen, aus dem Englischen für «verdünnen». Das Gen bewirkt, dass Farbpigmente nicht mehr fein, sondern in Klumpen in die Haare eingelagert werden, wodurch es zu einer optischen Aufhellung kommt. Erhält der Hund von beiden Elternteilen dieses «Verdünnungsgen», kommt es bei ihm zu einer solchen Fellaufhellung. Das ursprünglich schwarze Fell eines Bullys und Dobermanns wird aufgehellt zu «Blau-Silber», das Braun des Dobermanns wird zu «Lilac/Isabel». Beim Labrador basieren gleich drei sogenannte Sonderfarben auf seinen jeweiligen Farbvarianten: Schwarz wird zu «Charcoal», Schokoladenbraun zu «Silber» und Creme zu «Champagne» aufgehellt.
Was viele allerdings nicht wissen: Bei zunehmend mehr Hunderassen können solch aussergewöhnliche Färbungen mit einer schweren Hauterkrankung einhergehen. Der medizinische Preis für einen farblich exotischen Hund kann daher, ebenso wie sein individuelles Leid, ins Unermessliche reichen.
Von CDA betroffene Hunde verlieren immer mehr Fell und das dauerhaft; vor allem am Rumpf, manchmal auch am Kopf. Nicht selten entwickelt sich durch die abbrechenden Haare eine chronische Hautentzündung mit lästigem Juckreiz.
Foto: Siliva Rüfenacht, dermaVet GmbH, Oberentfelden
Farbaufhellung erhöhen das Krankheitsrisiko
Die Farbaufhellung hat also mehr als nur einen optischen Effekt. Gleichzeitig erhöht sie das Risiko, an der Krankheit Farbmutantenalopezie, kurz CDA (Color Dilution Alopecia), zu erkranken. Wichtiges erstes Erkennungsmerkmal: Allein die farbverdünnten Fellbereiche sind von Erkrankungen betroffen. Die dortigen Haare werden spröde, brechen ab oder fallen aus. Doch nur ein Tierdermatologe kann eindeutig sagen, ob es sich bei einem solchen Fell- oder Hautproblem um CDA handelt oder nicht. Anhand der klinischen Symptome, einer Haarprobe und Hautbiopsie kann er eine definitive Diagnose stellen. Auch ein Gentest steht zur Verfügung.
Silvia Rüfenacht ist eine solche Spezialistin für Tierdermatologie und weiss um den gefährlichen Trend zu Sonderfarben. «CDA ist eine schwerwiegende, unheilbare Krankheit, die für das Tier nur nachteilig ist, und nur wegen dem Schönheitswahn und Modetrend von uns Menschen produziert wird.» Erste Fellprobleme treten schon ab dem Alter von sechs Monaten auf, meist aber erst zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr. «Zuerst erscheint das Fell nur stumpf und glanzlos. Leider führt CDA aber zu progressivem und permanentem Haarausfall vor allem am Rumpf, manchmal auch am Kopf.» Zwar ist für Hunde, die älter als zwei Jahre sind, das Risiko zu erkranken geringer, dennoch kann Rüfenacht es nicht ausschliessen. «CDA kann leider in jedem Alter auftreten.»
Zu oft warten Hundehalter sehr lange, bis sie sich veterinärmedizinische Hilfe holen. Die Tierdermatologin sieht daher vor allem die schweren Fälle mit Haarausfall und Entzündungen. «Weil das Haar durch die Melaninklumpen geschwächt ist, bricht es gerne ab. Brechen die Haarschäfte in der Haut ab, reizen sie die Haut und begünstigen bakterielle Entzündungen. Daraufhin kann sich eine chronische Hautentzündung mit lästigem Juckreiz entwickeln.» Das Ausmass ist oftmals gravierend. Viele der betroffenen Hunde verlieren mehr und mehr ihr ganzes Fell, das eigentlich als Schutz der Haut dienen sollte. Sie können ihre Krankheit nur ertragen, solange die lokalen Problemstellen behandelt und juckreizlindernde Medikamente verabreicht werden – ein Leben lang.
Trotz medizinischer Behandlung werden das ständige Jucken und Kratzen für den Hund letztendlich zum Stressfaktor. Permanenter Stress wiederum wirkt sich negativ auf das Immunsystem und die Organe aus. Auch das Verhalten des Hundes beeinflusst die Krankheit: Stress und Schmerzen machen es dem Hund schwer, sich zu konzentrieren. Fachleute sehen gar ein generell rasseuntypisches Verhalten. So entspricht der Charakter bei Labrador Retrievern mit aufgehelltem Fell nicht dem eines rein gezüchteten Labradors. Die Tiere sind für einen Familienhund viel zu temperamentvoll und verhalten sich teilweise sehr nervös. Eine Feststellung, die auch Rüfenacht in ihrer Praxis gemacht hat.
Nicht von seriösen Züchtern
Die Nachfrage nach Hunden in Sonderfarben ist gross. In Rasseclubs kennt man die Problematik daher gut. Die regelmässigen Anfragen zu den «neuen Farben» nutzen die Rasseclubs, um aufzuklären. Denn bei seriösen Züchtern werden Welpenkäufer nicht fündig. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Risiken, die mit der Zucht einhergehen, sind diese Farben nicht anerkannt und werden von seriösen Züchtern auch nicht gezüchtet.
Die Gen-Kombi
Zum Glück bekommt nicht jeder Hund mit einer Sonderfarbe CDA. Doch alle Hunde mit CDA haben Sonderfarben. Zudem gibt es ganze Rassen mit verdünnter Fellfarbe, die schlichtweg gar nicht von CDA betroffen sind. So führt das Dilute-Gen beispielsweise beim Weimaraner des Farbschlages «Silber» und bei der Deutschen Dogge des Farbschlags «Blau-Silber» nicht zu negativen Konsequenzen.
Ob bei einer Rasse eine Farbverdünnungsalopezie auftritt, hängt nämlich davon ab, ob entsprechende Ergänzungsgene vorliegen. Nur in Kombination mit ihnen hat das Dilute-Gen negative Auswirkungen. Weimaraner und Deutscher Dogge scheinen somit diese Art von Ergänzungsgenen zu fehlen, sodass es zu keiner Interaktion mit dem vorhandenen Dilute-Gen kommt. Um welche Gene es sich konkret handelt, ist bislang unbekannt. Dies versucht derzeit das Team um Prof. Dr. Tosso Leeb an der Vetsuisse-Universität in Bern herauszufinden.
Doch wie kam das Dilute-Gen überhaupt in Rassen wie Labrador, Bully oder Dobermann? Die Antwort ist simpel: durch gezieltes Einkreuzen. Hierfür spricht, dass betroffene Labradore einen leicht veränderten Körperbau haben. Speziell ihre Kopfform ist untypisch für den Labrador.
In den 1950er-Jahren hatte man in den Vereinigten Staaten versucht, einen Jagdhund wie den Weimaraner mit den Charaktereigenschaften eines Labradors zu züchten. Hierfür wurden Labrador, Weimaraner, Dobermann und andere Rassen verpaart. Das Dilute-Gen könnte während dieser Zuchtversuche vom Weimaraner auf andere Rassen übergesprungen sein. Aufgehellte Farben des Labradors und Dobermanns sind in Amerika bereits seit den 1950er-Jahren bekannt.
Viele Hunderassen sind betroffen
Durch zufälliges oder gezieltes Einkreuzen tritt das Gen mittlerweile in zahlreichen weiteren Rassen auf, unter anderem Chihuahua, Chow Chow, Dackel, Französische Bulldogge, Italienisches Windspiel, Whippet und Zwergpinscher. Vom Chesapeake Bay Retriever und Nova Scotia Duck Tolling Retriever wissen wir zudem, dass es bei aufgehelltem Fell zu CDA kommen kann. Von CDA besonders betroffen sind vor allem aber Labrador Retriever und Dobermann.
Bis in die 1990er-Jahre waren «blaue» Dobermänner nach FCI-Standard (Fédération Cynologique Internationale / Weltorganisation der Kynologie) zulässig. Aufgrund von auftretenden Hautproblemen wurde der blaue Farbschlag, ebenso wie die Farbe «Lilac» dann aber wieder verboten. Der amerikanische Kennel Club (AKC) hingegen erkennt «Blau» und «Lilac» bis heute als Farben an.
Drohender Schneeball-Effekt
Genetiker und seriöse Züchter befürchten, dass das Vorkommen des Farbverdünnungsgens unter den Rassen zunehmen könnte. Denn je öfter Hunde mit dem Dilute-Gen in Rassen eingekreuzt werden, umso mehr werden sich die Verdünnungsfarben und bei manchen Rassen eben auch das entsprechende Hautproblem ausbreiten. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das Problem durch für die Züchtung importierte Rassehunde auch bei seriösen Züchtern in der Schweiz auftreten wird. Beim Toller beispielsweise gab es bereits Welpen mit dem Dilute-Gen, hier «Buff» genannt. Zwar scheint beim Toller die Mutation nicht direkt mit gesundheitlichen Problemen zusammenzuhängen. Dennoch testen viele Schweizer Züchter nun ihre Zuchthunde, um solche Welpen zu vermeiden.
Farbverdünnte Hunde stammen somit nicht aus anerkannten Schweizer Zuchten. Die Problematik auf illegale Importe und Vermehrerfarmen zu schieben, scheint allerdings zu einfach. Denn auch im Inland gibt es sogenannte Züchter, die wegen der grossen Nachfrage genau solche Farbschläge züchten. Der Absatz ist gesichert, die Preise sind extrem lukrativ. Um viel Geld mit aussergewöhnlichen Farben zu verdienen, verpaaren sie explizit Hunde, die das Dilute-Gen tragen. Die Gesundheit der Welpen wird hierbei bewusst ignoriert.