Reiten lernen
Wer sich selbst oder seinem Kind den Einstieg in die Welt des Reitens ermöglichen möchte, sollte sich vorher gut informieren. Denn trotz allen schönen Seiten, die das Reiten mit sich bringt, bleibt es immer noch eine Risikosportart, die nur unter seriöser Betreuung ausgeführt beziehungsweise erlernt werden sollte.
Text: Veronika Eder Titelbild: JinnaritT/stock.adobe.com
Reiten ist nicht etwa das, was viele Leute als «nur Draufsitzen» abtun. Es erfordert viel Gefühl, Gleichgewicht und Körperspannung. Es schult die Koordination und Isolation von einzelnen Körperteilen und bildet, unter richtiger Ausführung, eine gute Bein- und Rumpfmuskulatur. Hinzukommt das Eingehen auf ein sehr sensibles Lebewesen und die entsprechende Selbstbeherrschung.
Die Wahl der richtigen Reitschule
Wer sich entschieden hat, reiten lernen zu wollen, muss sich als Erstes nach einer geeigneten Reitschule umsehen. Man sollte sich darüber informieren, ob die Lehrpersonen des Betriebes über eine ordentliche Ausbildung verfügen. Es kommt leider noch viel zu oft vor, dass unqualifizierte Personen in Reitschulen oder auf eigene Faust unterrichten, ohne entsprechend geschult worden zu sein. Auf einem seriösen Betrieb sind Besucher immer willkommen und werden freundlich begrüsst. Ausserdem sagt der Zustand der Anlage viel über die Art und Weise aus, wie der Betrieb geführt wird. Eine ungepflegte Infrastruktur, schmutzige Boxen oder gar unterernährte Pferde deuten auf eine schlechte Betriebsführung hin. Man sollte auch Wert darauf legen, wie die Pferde in der Reitschule gehalten werden und ob sie nicht zu viel arbeiten müssen. Dies nicht nur aus Gründen der Tierliebe, sondern auch, weil ein überarbeitetes Reitschulpferd ein grosser Risikofaktor darstellt. Ausgeglichene, artgerecht gehaltene Pferde sind viel zuverlässiger und obendrein auch noch angenehmer zu reiten.
Gut gerüstet aufs Pferd
Was die Ausrüstung betrifft, so kommt man am Anfang mit Jeans und Wanderschuhen gut zurecht. Reithelme werden in jeder guten Reitschule den Anfängern zur Verfügung gestellt. Man muss sich also nicht in Unkosten stürzen, bevor man überhaupt weiss, ob einem der Sport zusagt. Erst nach den ersten paar Stunden ist es sinnvoll, über eine Ausrüstung nachzudenken. Das Preissegment ist bei den jeweiligen Artikeln breit gefächert. Reithosen bekommt man aber schon ab rund 100 Franken, ein Helm ab ca. 150 Franken, entsprechendes Schuhwerk ist ab 80 Franken zu haben. Mehr benötigt man an Reitbekleidung kaum. Als Reiter empfiehlt es sich, in die Haftpflichtversicherung den Zusatz «Das Reiten fremder Pferde» aufzunehmen. Ein seriöser Reitbetrieb weist seine Schüler auf die Haftung hin und informiert dahingehend aus eigener Initiative.
Angebote für Kinder
Wenn ein Kind reiten lernen will, sollte es zwischen sieben und neun Jahre alt sein. Es gibt aber auch Reitschulen, die Kindern das Reiten schon früher erlauben. Der Unterricht und die Wahl des Schulpferdes werden dann entsprechend angepasst. Für jene Kinder, die für das eigentliche Reiten noch zu klein sind, bieten einige Reitschulen auch Voltigierunterricht an. Voltige ist sozusagen «Turnen auf dem Pferd» und kann schon von Kindern ab vier Jahren praktiziert werden. Es ist der ideale Einstieg in den Reitsport, weil es das Gleichgewicht und das Gefühl für die Bewegungen des Pferdes fördert.
Am Anfang steht die Longe
Zu Beginn der reiterlichen Ausbildung steht immer der Longenunterricht, währenddessen dem Schüler die Grundlagen des Reitens beigebracht werden. Eine Lektion dauert an der Longe etwa 30 Minuten und kostet um die 30 bis 40 Franken. Wann ein Schüler so weit ist, dass er ohne Longe reiten darf, entscheidet der Reitlehrer. Ist das OK gesprochen, kann sich der Schüler entweder für Gruppen- oder Einzelunterricht entscheiden. Einzelstunden sind sicher effizienter, aber auch teurer. Gruppenunterricht kostet pro Stunde je nach Anzahl Schüler zwischen 35 bis 45 Franken, Einzelunterricht dagegen zwischen 60 bis 90 Franken.
Der Umgang mit dem Pferd gehört zum Reitenlernen dazu. Meist lernt man vor und nach der Reitstunde, wie man ein Pferd sattelt und putzt. Manche Reitschulen bieten auch Kurse im Bereich Pferdepflege an. Durch den vermehrten Kontakt mit dem Pferd lernt man sein Wesen besser kennen und einschätzen. Gerade Anfänger gewinnen so schnell mehr Vertrauen zum Tier.
Ab ins Gelände
Wann der erste Ausritt stattfindet, ist hauptsächlich von der Umgebung und von der Reitschule selbst abhängig. Manche Reitschulen sind nicht unbedingt auf Ausritte ausgelegt und bieten solche nur auf Anfrage an. Betriebe ohne Halle sind aber oft vom Zustand der Infrastruktur her gezwungen, den Unterricht ins Gelände zu verlegen. Dies zum Beispiel, wenn der Boden vom Reitplatz eingefroren ist oder unter Wasser steht. Ein guter Reitlehrer versteht es, einen Ausflug ins Gelände zu einer sinnvollen Erfahrung zu gestalten. Ausritte sind für die reiterliche Ausbildung ebenso wichtig wie die Arbeit im Viereck oder in der Halle. Man lernt die Reaktionen des Pferdes und die äusseren Einflüsse besser einzuschätzen und entsprechend mit ihnen umzugehen.
Hoch, höher, am höchsten
Ob ein Reitschüler so weit ist, dass er seine ersten Springerfahrungen sammeln darf: Auch dies entscheidet der Reitlehrer. Der Sitz des Reiters und die Hilfengebung müssen so weit gefestigt und koordiniert sein, dass der Reiter sein Pferd über dem Hindernis nicht behindert und trotzdem weiter auf es einwirken kann. Springen schult den Gleichgewichtssinn des Reiters und gehört zu einer soliden ernsthaften Ausbildung dazu. Zu Beginn sind die Hindernisse sehr niedrig. So kann sich der Schüler an das Gefühl und den neuen Bewegungsablauf gewöhnen.
Guter Kompromiss: das Pflegepferd
Wer seine ersten Jahre als Reitschüler bereits hinter sich hat und sein Hobby gerne weiterbetreiben möchte, kann sich nach einem Pflegepferd umsehen. Viele Pferdebesitzer sind auf der Suche nach zuverlässigen Reitern, die hin und wieder das Bewegen des Tieres übernehmen. Meist wird eine Kostenbeteiligung oder Mitarbeit im Stall als Gegenleistung verlangt. Wieweit einem Kompetenzen im Umgang mit einem Pflegepferd übertragen werden, ist sehr unterschiedlich. Manche Besitzer erlauben nur das Ausreiten und andere bieten sogar die Möglichkeit, mit dem Pferd an Turnieren teilzunehmen. Meist wird als Referenz des reiterlichen Niveaus mindestens das Brevet verlangt.
Der Traum vom eigenen Pferd
Ein Pflegepferd ist eine gute Vorbereitung für Leute, die sich gerne einmal ein eigenes Pferd anschaffen möchten. Es bietet einem einen kleinen Einblick in die Aufwände, die für ein eigenes Pferd betrieben werden müssen. Die beanspruchte Zeit und die finanziellen Mittel müssen im Vorfeld genau abgeklärt und überprüft werden. Wer noch nie ein eigenes Pferd besessen hat, bespricht dieses Vorhaben am besten mit einer Fachperson. Sie kann einem helfen, ein geeignetes Pferd zu finden und alle nötigen, sinnvollen Massnahmen zu treffen. Es ist ratsam, auch mit dem eigenen Pferd weiterhin regelmässig Reitunterricht zu nehmen. So schleichen sich sowohl beim Reiter als auch beim Pferd keine Fehler oder Unarten ein.
Einstieg und Kosten
Um in den Reitsport einsteigen zu können, muss man keine besonderen Bedingungen erfüllen. Auch das Mindestalter kann, je nach Kind und Reitschule, variieren. Grundsätzlich wird die Alterslimite bei ca. sieben bis neun Jahren festgelegt. Aber auch jüngere Kinder können bereits spielerisch in die Reiterei eingeführt werden. Ein guter Reitlehrer wird die Reitstunde dem Alter des Kindes anpassen, ohne es zu überfordern. Eine offizielle Höchstaltersgrenze existiert ebenfalls nicht. Reiten ist eine der wenigen Sportarten, in die man auch in fortgeschrittenem Alter einsteigen kann – körperliche und geistige Fitness vorausgesetzt.
Jeans und Wanderschuhe sind für den Anfang OK. Ungeeignet sind Turnschuhe, da sie nicht genügend Halt bieten und der Fuss wegen der flachen Sohle durch den Steigbügel rutschen kann. Reithelme werden in den meisten Reitschulen am Anfang zur Verfügung gestellt. Wenn Sie sich eine eigene Ausrüstung zulegen möchten, empfiehlt sich eine Beratung im Fachgeschäft. Alle Artikel gibt es in verschiedenen Preisklassen: Reithosen ab ca. 90 Franken, Reithelm ab ca. 70 Franken, Stiefel oder Chaps ab ca. 80 Franken.
Jede reiterliche Ausbildung beginnt mit rund zehn Longenstunden. An der Longe lernt man den korrekten Grundsitz und alle notwendigen Basiskenntnisse, um später frei reiten zu können. Longenstunden kosten, je nach Anbieter, zwischen 30 bis 40 Franken und dauern rund 30 Minuten.
Fortgeschrittene Reiter haben die Wahl zwischen Privat- oder Gruppenunterricht. In einer Gruppe sind bis zu acht Reiter unterwegs, während man in einer Privatstunde maximal zu dritt ist. Der Lerneffekt ist in einer Privatstunde also wesentlich höher, entsprechend ist aber auch der Preisunterschied. Eine Gruppenstunde kostet zwischen 35 bis 45 Franken, eine Privatstunde schlägt mit 60 bis 90 Franken zu Buche.
Die Preise für Ausritte bewegen sich etwa im selben Rahmen wie der normale Reitunterricht. Entscheidend ist dabei ebenfalls die Anzahl der Teilnehmer.
Viele Reitbetriebe bieten als Alternative für den Einstieg Voltigeunterricht für kleinere Kinder an. Voltigieren ist «turnen auf dem Pferd» und wird in einer Gruppe, mit einem an der Longe gehenden Pferd, unterrichtet. Voltige schult Gleichgewicht, Koordination, Beweglichkeit und Kraft und bietet einen spielerischen Einstieg in den Pferdesport. Die Kosten bewegen sich am Anfang um 10 bis 20 Franken.
Für Reitschüler wird empfohlen, einen Zusatz für das Reiten fremder Pferde in die Haftpflichtversicherung aufzunehmen.
So finden Sie die geeignete Reitschule
Grundsätzlich lassen sich die Reitschulen in Gross- und Kleinbetriebe unterteilen. Als Grossbetriebe werden jene Betriebe bezeichnet, die rund 30 Pferde und mehr im Stall halten. Sie verfügen meist über eine Reithalle und einen Aussenreitplatz. Kleinbetriebe erkennt man an der eher kleinen Anlage und einem Pferdebestand von ca. 5 bis 25 Pferden. Häufig ist keine Reithalle vorhanden.
Wenn Sie sich für einen Grossbetrieb entscheiden, können Sie in der Regel ein reiches Sortiment verschiedener Angebote von Kursen, Pferden, Reitlehrern und eine vielseitige Anlage erwarten. Der Nachteil: Leider kann auf solchen Betrieben oft eine eher unpersönliche bis hektische Atmosphäre herrschen und eine Beziehung zum Pferd oder dem Reitlehrer kann nur schwer aufgebaut werden.
Kleinbetriebe hingegen werden meistens sehr familiär geführt. So kann besser auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingegangen werden. Dem Umgang mit dem Pferd wird auf Kleinbetrieben meist mehr Gewicht beigemessen, als auf Grossbetrieben. Das Angebot an Pferden und Kursen ist in der Regel aber weniger vielfältig und die Anlage eher beschränkt.
Bevor Sie sich für eine Reitschule entscheiden, sollten Sie sich den entsprechenden Betrieb ansehen und im Idealfall verschiedene Reitschulen miteinander vergleichen. Ein guter Gesamteindruck ist wichtig, damit Sie sich wohl fühlen werden. Beachten Sie bei der Besichtigung des Betriebes folgende Punkte:
- Die Pferde sollten artgerecht gehalten werden. Ständer oder zu kleine Boxen sollten nicht unterstützt werden. Fragen Sie nach, ob die Schulpferde regelmässig Auslauf bekommen.
- Die Boxen sollten sauber sein. Verdreckte Boxen sind ein Gesundheitsrisiko für die Pferde.
- Das Personal sollte freundlich sein und über eine entsprechende Ausbildung verfügen.
- Auf einem Reitbetrieb sollte keine hektische oder gestresste Atmosphäre herrschen.
- Die Anlage sollte einen gepflegten Eindruck machen.
Die aufgelisteten Punkte sagen viel über den jeweiligen Betrieb aus. Die Einstellung zu den Pferden und den Kunden ist nicht nur wichtig für den Lernerfolg des Reitschülers, sondern beeinflusst auch das Unfallrisiko. Überarbeitete Reitschulpferde mit zu wenig Auslauf sind genau so gefährlich wie ein Reitlehrer ohne Ausbildung.
Die erste Reitstunde
Jeder Reitschüler sollte sein Pferd für die Reitstunde selber vorbereiten dürfen. Idealerweise wird einem in der Reitschule Schritt für Schritt beigebracht, wie man ein Pferd putzt, sattelt und aufzäumt. Vor der ersten Reitstunde geht es vor allem darum, Vertrauen zum Pferd aufzubauen und zu lernen, wie man sich einem Pferd richtig nähert. Die Pferdepflege wird sich am Anfang auf das Auskratzen der Hufe und das korrekte Führen des Pferdes beschränken. Nach der Reitstunde zeigt einem der Reitlehrer, wie das Pferd richtig versorgt und abgesattelt wird, sofern es nicht noch von einem weiteren Schüler geritten wird.
Jede Longenstunde beginnt mit einigen Dehnungs- und Auflockerungsübungen. Sie dienen nicht nur dazu, den Schüler aufzuwärmen, sondern schulen auch gleichzeitig das Gleichgewicht, die Körperhaltung, fördern das Vertrauen zum Pferd und das Gefühl für die Bewegung.
Nachdem man mit den ersten Bestandteilen des richtigen Grundsitzes vertraut gemacht wurde, folgt schon bald das erste Traben. Dem Reitschüler werden die zwei verschiedenen Arten des Trabens gezeigt: Das Aussitzen und das Leichttraben.
Mit der Zeit werden die vorher geübten Gleichgewichtslektionen mit dem Traben kombiniert und so der der Grundsitz gefestigt. Die Zügel sollten einem Schüler erst in die Hand gegeben werden, wenn er ohne Probleme freihändig traben und dabei einen korrekten Sitz halten kann. Vorher ist es dem Reiter nicht möglich, richtig dosierte Hilfen zu geben, ohne dem Pferd unnötig im Maul zu ziehen.
Die Longenstunde sollte enden, wie sie begonnen hat: Im Schritt, mit einigen lockernden Übungen und eventuell ein paar theoretischen Fragen zum Pferd.
Für jeden Reiter sollte es selbstverständlich sein, seinem Pferd für seinen Einsatz zu danken. Zwischendurch darf man das Pferd am Hals oder an der Schulter klopfen und ihm zur Belohnung einen Leckerbissen mitbringen. Geeignet sind Rüebli, Äpfel, hartes Brot (immer auf Schimmelpilze kontrollieren) oder spezielle Pferdeguetsli, die man im Reitsportgeschäft kaufen kann.
In manchen Reitbetrieben ist allerdings das Füttern der Pferde verboten. Fragen Sie deshalb immer vorher beim Reitlehrer nach.