Bellender Hund

Wenn sich Nachbarn wegen Tieren streiten

Tiere sind häufig die Ursache für Nachbarstreitigkeiten – so etwa wenn sich Anwohner vom Vogelgezwitscher gestört fühlen, Hunde in fremden Gärten Schäden anrichten oder ein Nachbar die Katze gegen den Willen des Halters füttert. Wer Tiere hält, hat auf seine Mitmenschen Rücksicht zu nehmen. Nachbarn müssen allerdings auch ein gewisses Mass an Toleranz aufbringen.

Text: Dr. iur. Gieri Bolliger / lic. iur. Andreas Rüttimann   Titelbild: santiago silver/stock.adobe.com

Immer wieder kommt es wegen Tieren zu Konflikten zwischen Nachbarn. Klassische Streitpunkte sind beispielsweise dauerndes Hundegebell oder von Katzen umgegrabene und als Toilette benutzte Gartenbeete. Komplett vermeiden lassen sich solche störenden Immissionen meist nicht. Es fragt sich darum, wo die Grenze zwischen zu akzeptierenden und unzulässigen Störungen liegt. Die rechtlichen Vorschriften über die Rücksichtnahme auf Nachbarn und Mitbewohner finden sich im Zivilgesetzbuch. Danach ist jedermann – ganz egal, ob Wohnungsmieter oder Eigenheimbesitzer – verpflichtet, unzumutbare Belästigungen der Anwohner zu vermeiden.

Störung darf nicht übermässig sein

Verboten ist eine störende Einwirkung dann, wenn sie übermässig ist. Ermittelt wird die Übermässigkeit aber nicht aufgrund der subjektiven Wahrnehmung der Betroffenen, sondern mit der Frage, was ein Durchschnittsmensch in einer gleichen Situation empfindet. Allein der Umstand, dass Nachbarn eine Störung durch ein Tier als unzumutbar empfinden, muss für den Tierhalter also noch keine Konsequenzen haben. Eine Rolle spielt auch, was am betreffenden Ort üblich ist (sogenannter Ortsgebrauch). So beispielsweise kann auf dem Land noch erlaubt sein, was in einem urbanen Wohnquartier als unzumutbar gilt.

Wer sich gegen übermässige Tierimmissionen wie Lärm, Dreck oder unangenehme Gerüche wehren will, hat hierfür verschiedene rechtliche Möglichkeiten. Bevor man den Rechtsweg beschreitet, sollte man aber immer zuerst das Gespräch mit dem Halter der störenden Tiere suchen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Oft reicht es schon, freundlich auf die Immission hinzuweisen, um den Tierhalter dazu zu bewegen, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Durch eine gerichtliche Auseinandersetzung kann dem Problem zwar begegnet werden, doch sind die nachbarschaftlichen Beziehungen dann meist auf lange Zeit belastet und ist weiterer Streit vorprogrammiert.

Haben beide Parteien denselben Vermieter, kann auch dieser um die Beseitigung der Störung ersucht werden. Der Vermieter muss dafür sorgen, dass allen Mietern die vertragliche Nutzung ihres Mietobjekts uneingeschränkt möglich ist. Fühlen sich Nachbarn etwa durch andauernden Tierlärm oder Verunreinigungen in gemeinschaftlichen Räumlichkeiten übermässig gestört oder gibt es berechtigten Anlass dafür, dass sich Anwohner vor dem Tier fürchten, ist die vertragsgemässe Nutzung der Mietsache nicht mehr möglich. Nimmt ein Tierhalter auch nach schriftlicher Mahnung des Vermieters keine Rücksicht auf seine Anwohner, kann ihm die Wohnung mit einer Frist von 30 Tagen auf Monatsende gekündigt werden.

Gelingt den Parteien im Rahmen eines vernünftigen Gesprächs oder mittels Vermieter keine Einigung, hat ein Nachbar aber meist keine andere Möglichkeit, als sich auf zivilrechtlichem Wege gegen die tierliche Belästigung zur Wehr zu setzen. Dabei kann er die Beseitigung bereits entstandener und den Schutz vor weiteren drohenden Beeinträchtigungen sowie Schadenersatz verlangen. Die Klage ist bei der
sogenannten Schlichtungsbehörde im Wohnbezirk des beklagten Tierhalters einzureichen.

Klassischer Streitpunkt: Hundegebell

Eine der häufigsten Ursachen für nachbarschaftliche Auseinandersetzungen wegen Tieren ist das Gebell von Hunden. Natürlich kann und soll den Tieren das Bellen nicht ganz abgewöhnt werden – schliesslich handelt es sich dabei um ein wichtiges Kommunikationsinstrument, das der Begrüssung und Aufforderung zum Spiel, aber auch als Drohung oder zur Verteidigung dient. Gelegentliches Hundegebell muss von Nachbarn daher in Kauf genommen werden. Dennoch darf die Belästigung nicht unzumutbar sein.

Die Abwägung der verschiedenen Interessen – also Tierhaltung gegen Ruhe- und Ordnungsbedürfnis der Anwohner – ist nicht immer einfach und hängt stark vom Einzelfall ab. Können die Nachbarn die Angelegenheit nicht einvernehmlich lösen und kommt der Streitfall vor den Richter, wird dieser Zeugen befragen und den Ort besichtigen, um herauszufinden, ob der Lärm übermässig ist. Überdies kann er die Grenzwerte der eidgenössischen Lärmschutzverordnung (LSV) oder allenfalls auch das jeweilige kantonale Hundegesetz zur Beurteilung heranziehen. Klar definierte Grenzwerte für Hundelärm gibt es zwar nicht. Das Gebell kann aber mit der Lautstärke von anderen Lärmquellen wie Autos, Restaurants oder Baustellen verglichen werden. Gestützt darauf wird dann entschieden, ob die Immissionen für die Nachbarn übermässig und daher zu unterlassen sind.
Der Richter wird auch prüfen, ob der Tierhalter sich mit baulichen oder organisatorischen Anpassungen beziehungsweise mit tiergerechteren Gehegeeinrichtungen bemüht hat, den Lärm zu verhindern. Weil das ortsübliche Mass je nach Kanton und Gemeinde verschieden sein kann, werden ähnliche Fälle unter Umständen unterschiedlich beurteilt. Häufig sind die Wohngebiete auch in sogenannte Empfindlichkeitszonen eingeteilt. In den Kantonen Aargau, Bern und St. Gallen beispielsweise haben die Gerichte entschieden, dass in Wohnzonen die Haltung von drei erwachsenen Hunden pro Haushalt gerade noch zonenkonform ist. Das Bundesgericht hat diese Praxis bestätigt.

Solange fremde Katzen nicht regelmässig gefüttert werden, ist es nicht verboten, ihnen gelegentlich etwas zu fressen anzubieten

Solange fremde Katzen nicht regelmässig gefüttert werden, ist es nicht verboten, ihnen gelegentlich etwas zu fressen anzubieten
Foto: Martin Frei

Spezialfall Katzen

Auch wegen Katzen kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Nachbarn. Dies etwa, wenn eine Katze ihr Geschäft regelmässig im Garten des Nachbarn verrichtet. Oftmals ist es möglich, die Tiere zu vertreiben, etwa mit stark duftenden Pflanzen, ausgestreutem Kaffeesatz oder durch das Bespritzen mit Wasser (siehe auch folgender Artikel). Die entsprechenden Massnahmen müssen aber tierschutzkonform sein; strafbar wäre es hingegen, Giftköder auszulegen, mit einer Waffe auf das Tier zu schiessen oder es mit Steinen zu bewerfen.

Weil Katzen weder ständig kontrolliert noch dazu erzogen werden können, dass sie wissen, was sie auf ihren Streifzügen durch fremde Grundstücke tun dürfen und was nicht, wird hier von Nachbarn ein höheres Mass an Toleranz verlangt als bei anderen Tieren. Den Tierhalter rechtlich zu zwingen, seine Katzen vom Betreten des Nachbargrundstücks abzuhalten, ist daher wenig erfolgversprechend. Werden in einem Haushalt jedoch zahlreiche Katzen gehalten, die ihr Geschäft alle beim Nachbarn verrichten, könnte die Tierzahl eventuell gerichtlich beschränkt werden. Allerdings müsste hierfür zuerst einmal bewiesen werden, dass die Katzen des Nachbarn – und nicht andere – die Übeltäter sind.

Fremdfütterung durch den Nachbarn

Im umgekehrten Fall können Katzen aber auch Streitobjekt sein, wenn ein Nachbar ein fremdes Tier ständig füttert und es zu sich in die Wohnung nimmt. Das Füttern fremder Tiere ist nicht generell verboten. Solange Nachbarskatzen nur gelegentlich (und selbstverständlich nur mit unschädlichem Futter) verwöhnt werden, hat der «Täter» daher keine gesetzlichen Konsequenzen zu befürchten. Füttert er fremde Katzen aber systematisch oder nimmt er sie regelmässig zu sich in die Wohnung, kann dies als Eingriff in die Eigentumsrechte des Halters durchaus rechtliche Folgen nach sich ziehen.

Kommt die Katze nur noch sporadisch oder während längerer Zeit überhaupt nicht mehr nach Hause, bedeutet dies nicht nur einen wesentlichen Eingriff in die Gefühlswelt und Privatsphäre des Tierhalters, sondern auch in seine Stellung als Eigentümer des Tieres. Als solcher hat er das Recht, möglichst viel Zeit mit seiner Katze zu verbringen, was ihm durch das Weglocken verunmöglicht wird. Falls ein klärendes Gespräch mit dem Nachbarn nicht fruchtet, kann der Katzenhalter eine Zivilklage einreichen und die Fremdfütterung gerichtlich verbieten lassen.

Stiftung für das Tier im Recht (TIR)

Spendenkonto PC 87-700700-7
IBAN CH17 0900 0000 8770 0700 7
www.tierimrecht.org