Was tun, wenn man ein Tier findet?
Jedes Jahr werden in der Schweiz zwischen 10 000 und 20 000 Tiere vermisst. Der Finder eines verlorenen Tieres hat verschiedene Rechtspflichten. Vor allem muss er den Fund schnellstmöglich der zuständigen Stelle melden, sofern ihm der Eigentümer nicht bekannt ist. Unterlässt er dies, macht er sich unter Umständen sogar strafbar.
Text: Dr. iur. Gieri Bolliger / lic. iur. Andreas Rüttimann Titelbild: 2207918/stock.adobe.com
Ein Tier, das verloren geht oder seinem Eigentümer entlaufen ist und anschliessend einer anderen Person zuläuft oder von ihr gefunden wird, bezeichnet man als Findeltier. Was der Finder zu tun hat, ist im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt: Kennt er den Eigentümer des Tieres, muss er diesen direkt benachrichtigen. Da Hunde seit 2007 mit einem Chip zu markieren sind und auch immer mehr Katzen auf diese Weise gekennzeichnet werden, können die Eigentümer von Hunden und Katzen oftmals mittels der jeweiligen Identifikationsnummer ausfindig gemacht werden. Tierheime, Tierärzte und teilweise auch die Polizei verfügen in der Regel über entsprechende Chiplesegeräte. Trägt ein Hund eine Steuermarke, müsste die Identität des Eigentümers zudem auch über die darauf angegebene Gemeinde festzustellen sein.
Anzeige bei der kantonalen Meldestelle
Kann der Eigentümer des Tieres nicht sofort eruiert werden, hat der Finder den Fund der zuständigen kantonalen Meldestelle für Findeltiere anzuzeigen. Die Meldestellen sind aber leider in den verschiedenen Kantonen nicht einheitlich eingerichtet; häufig sind sie der Kantonspolizei angegliedert, oftmals aber auch dem kantonalen Veterinärdienst oder einer Tierschutzorganisation.
Die Meldung eines Findeltieres kann in den meisten Kantonen per Internet, Fax, Telefon oder Briefpost erfolgen. Meldeformulare sind nicht nur auf den Websites der kantonalen Meldestellen, sondern oftmals auch auf der Gemeindekanzlei, dem Polizeiposten, beim Tierarzt, bei örtlichen Tierschutzvereinen oder im Tierheim erhältlich. Die Anzeige muss so bald wie möglich gemacht werden, am besten noch am Tag des Fundes. In aller Regel ist der Halter in grosse Sorge um sein vermisstes Tier und daher sehr froh, wenn er umgehend über dessen Auftauchen informiert wird.
Neben den kantonalen Meldestellen gibt es auch die gesamtschweizerisch tätige Organisation STMZ (Schweizerische Tiermeldezentrale, stmz.ch). Diese nimmt sämtliche Fundanzeigen in ihre Datenbank auf und leitet sie stellvertretend für den Finder der zuständigen kantonalen Meldestelle weiter. Wer ein Findeltier bei der STMZ meldet, hat seine Anzeigepflicht somit ebenfalls erfüllt.
Die Meldepflicht gilt übrigens auch dann, wenn der Finder davon ausgeht, das betroffene Tier sei ausgesetzt worden. Oftmals sind die Umstände, unter denen ein Tier aufgefunden wird, nicht eindeutig; so könnte das vermeintlich ausgesetzte Tier seinem Halter beispielsweise auch gestohlen und dann irgendwo zurückgelassen worden sein. Deshalb muss ein Tierfund in jedem Fall angezeigt werden. Wer dies nicht tut, verstösst gegen seine gesetzlichen Finderpflichten, was bereits strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Behält er das gefundene Tier, riskiert er zusätzlich noch eine Strafe wegen einer sogenannten unrechtmässigen Aneignung.
Kantonale Meldestellen für Findeltiere
Um seinen gesetzlichen Finderpflichten nachzukommen (und sich nicht strafbar zu machen), muss ein Finder ein gefundenes (oder zugelaufenes) Tier unverzüglich der offiziellen Meldestelle seines Kantons anzeigen.
Hier finden Sie eine Liste mit allen offiziellen Tier-Meldestellen nach Kanton
Ein Blick auf die aktuellen Fundmeldungen bei der STMZ zeigt, dass neben Katzen, welche die Liste deutlich anführen, auch viele Schildkröten gefunden werden.
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Pflicht zur artgerechten Unterbringung
Mit einer korrekten Meldung hat der Finder seine Pflicht aber noch nicht vollständig erfüllt. Vielmehr ist er auch für eine angemessene – das heisst eine den Vorschriften des Tierschutzrechts entsprechende – Unterbringung und Versorgung des Findeltieres verantwortlich. Er muss dieses aber nicht zwingend bei sich aufnehmen, sondern einfach für eine geeignete Unterkunft sorgen. Er kann das Tier also beispielweise auch an ein Tierheim abgeben. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass die Übergabe eines Findeltieres an ein Tierheim nicht die Anzeige bei der kantonalen Meldestelle ersetzt. Deshalb sollte man sich unbedingt schriftlich bestätigen lassen, dass das Heim die Anzeige übernimmt. Der Finder hat damit ein Beweismittel in der Hand, dass er seine Pflichten erfüllt hat. Wer ein Findeltier selber artgerecht halten und pflegen kann, darf es nach der Fundmeldung natürlich auch bei sich zu Hause betreuen. Hierzu gehört aber nicht nur die Fütterung und Pflege, sondern auch die allenfalls nötige tierärztliche Versorgung des Tieres. Wichtig ist, dass man der kantonalen Meldestelle klar angibt, wo das Tier untergebracht wird.
Für die Aufwendungen, die für eine artgerechte Unterbringung, Fütterung und Pflege eines Findeltieres getätigt werden müssen, hat der Eigentümer des Tieres aufzukommen. Darüber hinaus schuldet er dem Finder einen Finderlohn, der in der Regel zehn Prozent des materiellen Werts des Tieres beträgt. Voraussetzung hierfür ist aber natürlich, dass der Eigentümer überhaupt ausfindig gemacht werden kann. Lässt sich dieser hingegen nicht feststellen, muss der Finder die angefallenen Unterhalts- und Versorgungskosten letztlich selber tragen. Dasselbe gilt auch für Tierheime. Kann ein Tierheim ein Findeltier neu platzieren, ist es aber berechtigt, dem neuen Eigentümer zumindest einen Teil der entstandenen Kosten zu übertragen. Meistens bleiben die Tierheimkosten für Findeltiere, deren ursprünglicher Eigentümer nicht eruiert werden kann, allerdings ungedeckt.
Eigentumsübergang nach Fristablauf
Der Finder eines Tieres wird beim Fund nicht automatisch auch dessen Eigentümer. Er erlangt das Eigentum am Tier jedoch, wenn sich der ursprüngliche Eigentümer während einer bestimmten Dauer nicht feststellen lässt. Bedingung hierfür ist allerdings, dass er den Fund des Tieres korrekt gemeldet hat. Nach der Fundanzeige beginnt dann eine Frist zu laufen, nach deren Ablauf das Eigentum auf den Finder übergeht. Die Länge der Frist hängt jeweils vom Verwendungszweck des Tieres ab. Handelt es sich um ein Heimtier, also um ein Tier, das primär aus emotionalen Gründen und aus Freude an seiner Gesellschaft gehalten wird, beträgt die Frist zwei Monate. An Tieren, deren Haltung in erster Linie wirtschaftlichen Interessen dient, also etwa an Nutz- oder unter Umständen an auch Zucht- oder Sporttieren, erwirbt der Finder hingegen erst nach fünf Jahren Eigentum.
Möchte sich der Finder nicht um das Tier kümmern, kann er es wie erwähnt auch an ein Tierheim übergeben, womit dieses nach Ablauf der Frist Eigentümer wird. Dabei beginnt die Zweimonatsfrist für den Eigentumsübergang von Heimtieren mit deren Abgabe an das Tierheim von Neuem zu laufen.
Eigentümer auch beim Fund toter Tiere informieren
Auch beim Fund eines toten Tieres sollte man unbedingt versuchen, den Halter ausfindig zu machen. Für diesen ist die Unklarheit über den Verbleib seines vermissten Tieres meistens schlimmer als die traurige Gewissheit über dessen Tod. Zwar finden die Spezialregeln des ZGB für den Tierfund keine Anwendung auf tote Tiere. Diese gehören aber nach wie vor ihrem Eigentümer und stellen somit aus rechtlicher Sicht normale Fundsachen dar, womit die üblichen Bestimmungen zum Fund von Gegenständen massgebend sind. Danach ist der Finder verpflichtet, entweder die Polizei zu benachrichtigen oder selbst für eine angemessene Bekanntmachung des Fundes zu sorgen.
Auch Kadaversammelstellen sollten sich bemühen, die Eigentümer der Tiere, die zu ihnen gebracht werden, zu eruieren. Da sie in der Regel über entsprechende Lesegeräte verfügen, darf von ihnen erwartet werden, dass sie die angelieferten Tiere – jedenfalls soweit es sich um Hunde oder Katzen handelt – zumindest auf einen Chip hin kontrollieren. Leider wird von dieser Möglichkeit aber oftmals kein Gebrauch gemacht und damit die letzte Chance verpasst, den Halter über das Schicksal seines Tieres zu informieren.
Tiere unbedingt regelmässig fotografieren
Um die Suche beim plötzlichen Verschwinden eines Tieres zu erleichtern, empfiehlt es sich für Tierhaltende, ihre Tiere periodisch zu fotografieren und dabei ihre äusserlichen, sich womöglich verändernden Merkmale festzuhalten. Diese Fotos sind dann gleich zur Hand, wenn es gilt, Bilder des vermissten Tieres im Quartier aufzuhängen oder ins Internet zu stellen.
Stiftung für das Tier im Recht (TIR)
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